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GASTBEITRAG: CranioSacral Therapy – die Osteopathie des Dr. John E. Upledger


Zusammenfassung

Obwohl es für Upledger zu Lebzeiten wichtig war, die von ihm entwickelte Methode der kraniosakralen Therapie nicht als (kraniale) Osteopathie zu bezeichnen (1), sind die Übereinstimmungen der Hintergründe zur klassischen Osteopathie so frappierend, dass es naheliegt, die kraniosakrale Therapie als die Osteopathie des Dr. Upledger zu betrachten. In diesem Artikel werden Argumente aufgeführt, die diesen Schluss zulassen könnten.


1.1 Einführung

Oberflächlich betrachtet scheinen die moderne Osteopathie und die von Upledger entwickelte kraniosakrale Therapie nur wenig gemeinsam zu haben. Bei beiden Therapieformen berühren Therapeuten den Menschen zwar manuell, die kraniosakrale Therapie hat jedoch einen eher esoterischen bzw. „unwissenschaftlichen“ Ruf. (2) Zudem löste Upledger seine Methode aus der Osteopathie heraus und stellte sie anfänglich therapeutischen Laien zur Verfügung. Aber sind die Methoden wirklich so unterschiedlich? Natürlich kann man mit der unterschiedlichen Ausbildungsdauer argumentieren, oder dass die kraniosakrale Therapie technisch nicht so spezifisch mit allen Geweben des Körpers arbeitet wie die „reguläre“ Osteopathie – aber sind die ursprünglichen Prinzipien und Methoden an sich wirklich so unterschiedlich?


1.2 Osteopathie der Gründerväter – Hintergründe

Bei den Gründervätern der Osteopathie geht es meiner Ansicht nach im Kern darum, über manuelle Behandlungen essentielle Behinderungen der Flüssigkeitsströme im gesamten Körper zu beseitigen oder zu verringern, um physiologische Prozesse zu verbessern, damit letztlich den Patienten in Richtung Gesundheit zu führen. (3) Auf Basis feinster Palpation nimmt er die Ursachen besagter Behinderungen wahr und versucht, sie manuell auf mechanischer Ebene zu beseitigen, um die Selbstheilung zu fördern. Gegebenenfalls muss der Patient auch sein Alltagsverhalten anpassen.

John

1.3. CranioSacrale Therapie nach Upledger – Hintergründe

Wie A.T. Still, der Entdecker der Osteopathie, war Upledger fasziniert von der Natur der Dinge. Er stellte Fragen zu Gesundheit und Krankheit und erkannte an, dass Heilung auf Basis der eben erwähnten Zusammenhänge stattfindet. (4) Upledger geht darüber hinaus. Für ihn geht es bei der Behandlung um die Behebung mechanisch-energetischer Behinderungen innerhalb faszialer Strukturen, insbesondere der Dura mater. (5) Nicht der Behandler kann diese Veränderung bewirken, sondern nur die natürlichen inhärenten Kräfte und die mit ihnen in Verbindung stehende Körperweisheit. Den Behandler sieht Upledger als „Assistenten“ dieser Kräfte (Still: Maschinisten), der sich ihnen zur Verfügung stellt. Als diagnostisch-therapeutische Befunde dienen Veränderungen körpereigener Rhythmen, fluido-energetische Fließeigenschaften, Gleitfähigkeiten und Spannungen in den Geweben. Sollten Alltagsanpassungen notwendig sein, so werden diese zusammen mit dem Patienten erarbeitet. (6) Wie Still stand auch Upledger regelmäßig in Kontakt mit spirituell arbeitenden Menschen. (7) Auch hier gleichen sich die persönlichen Hintergründe.


1.4. Kraniosakrale Therapie nach Upledger – Prinzipien der Durchführung

Nun zum therapeutischen Vergleich. Für Upledger war der 'verschmelzende' Kontakt zwischen Behandler und Patient essenziell. Dieser wird so angepasst, dass er unterhalb möglichst vieler Widerstände des Patienten bleibt, was zu einer einfacheren Öffnung des Patienten auf unterschiedlichen Ebenen führt. Dies ist die Grundlage für patientenindividuelle, faszio-fluidale Befunde, die vom Behandler wahrgenommen werden. In der expliziten Beschreibung verbaler Interventionen unterscheidet sich Upledger von den Gründervätern der Osteopathie.

Als Bedingung für den verschmelzenden Kontakt benannte er 'Vertrauen' – in sich, den anderen, den therapeutischen Prozess und die inhärenten Kräfte, ohne die eine therapeutische Intervention unmöglich ist. Die Hilfe für den Patienten besteht also darin, dass das 'Therapeutikum' eine Behinderung des Fließens überwindet und damit die Selbstheilung/Homöostase unterstützt.

Prizipiell geht es letztlich darum, Wechselwirkungen funktioneller Störungen in den faszio-fluidalen Anteilen des Körpers und dem Nervensystem zu erfühlen – dies entspricht auch den Ursprüngen der Osteopathie.

Die in der kraniosakralen Therapie verwendeten somatischen, energetischen und verbalen Behandlungstechniken zielen auf die Lösung von Behinderungen der Fluidität. Während die Hände stets zentral bleiben, fokussiert der Therapeut auf die von der „Körperweisheit“ zur Verfügung gestellten Informationen. (8) Leitlinie bei der Behandlung sind die fühlbaren (oft feinsten) Veränderungen in den somatisch-energetischen Befunden, die Upledger unter bestimmten Bedingungen als „Signifikanzanzeiger“ bezeichnet. Durch sie bleibt gewährleistet, dass man am Prozess des Patienten bleibt und keinen eigenen therapeutischen Vorstellungen folgt. Mit der explizite Anwendung verbaler Interventionen unterscheidet sich Upledger von der Osteopathie.

Der Kraniosakraltherapeut verfügt über Wissen und rezeptorisch-sensorische Fähigkeiten, wobei Upledger Letztere stets priorisiert. (9) Das gefühlte Verstehen des Menschen mit seinen Problemen durch einen vertrauenden Behandler war für ihn Grundlage für eine sinnvolle, individuelle Behandlung. Dabei ist er sich bei allem Wissen und Können aber stets bewusst, dass aufgrund der enormen Komplexität des Menschen nicht alle Faktoren zugleich greif- und kontrollierbar sind. Dies bildet die Basis des Behandlungsprozesses.

Absolute Voraussetzung ist also das Vertrauen – in sich, in den anderen, in die Veränderung, in die Dynamik. Die (therapeutische) Beziehung bietet hierfür die Grundlage: Beziehung zu sich, zu anderen, zu einem größeren Ganzen, eingebunden sein, gemeinsam entscheiden. Hypothesen über Behinderungen der fluidalen Aspekte werden situationsbedingt und individuell angepasst. Sie sind nie falsch oder richtig, sondern bilden lediglich die Grundlage, auf der sich die gemeinsame Arbeit von Patient und Therapeut entfalten kann. Gegenseitige Achtung, bewusste wechselseitige Unterstützung, eine aufrechte und direkte Kommunikation, die Bindung und Entbindung im therapeutischen Beziehungsgefüge sind für Upledger wichtige Aspekte, die es überhaupt erst möglich machen, Arbeitshypothesen aufzustellen und mit ihnen zu arbeiten.


1.5 Osteopathische oder kraniosakraltherapeutische Wissenschaftlichkeit?

Wissenschaft beruht auf dem Sammeln von Informationen, dem Stellen von Fragen, dem Erstellen von Hypothesen und dem sorgfältigen Umgang mit der Betrachtung ihres momentanen Wahrheitsgehalts. Für Still und Upledger galt, dass nur das, was sich klinisch „beweist“, beibehalten wird – eine bestechende Pragmatik. Fügen wir die Beziehungskomponente hinzu, können wir von einer Praxissituation sprechen, in der gemeinsam nach der bestmöglichen Lösung für ein Problem gesucht wird oder in der es möglich wird, sowohl Problem als auch Lösungsansätze situativ anzupassen – eine lebendige, selbstverantwortliche, menschenfreundliche, osteopathische oder kraniosakraltherapeutische Wissenschaft. Auch hier wird die Methodik Upledgers zu dessen Form der Osteopathie Stills.


Quellennachweise und Literatur

(1) Upledger JE, Differences separate CranioSacral Therapy from Cranial Osteopathy. Massage & Bodywork 1995: 20-22.
(2) Federspiel K, Herbst V. Cranio-Sacral-Therapie. In: Handbuch Die Andere Medizin. Stiftung Warentest; 1996.
(3) Hartmann Ch, Gedanken zu A.T. Stills Philosophie der Osteopathie. Auf dem Weg zu einer Philosophischen Osteopathie. Pähl: Jolandos; 2016.
(4) Upledger JE, Vredevoogd, JD. . Stuttgart: Haug Verlag; 2009.
(5) Upledger JE, CranioSacral Therapy. Touchstone for Natural Health. Berkley: North Atlantic Books; 2001.
(6) Upledger JE, Grossinger R, Ash D, Cohen D, . Berkley: North Atlantic Books; 2008.
(7) Upledger JE, Lessons out of School. Life stories of Dr. John E. Upledger. Berkley: North Atlantic Books; 2006.
(8) Upledger JE, Im Dialog mit der Zelle – Cell Talk. Stuttgart: Haug Verlag; 2006.
(9) Upledger JE, Holism, Osteopathy and Biomechanics. Michigan Osteopathic Journal 1979; 11.
(10) Upledger JE, The Goal of Therapy. The DO 1978: 112-117.


Quellennachweise

Gert Groot-Landewehr: Mit freundlicher Genehmigung des Autors. John Upledger: Mit freundlicher Genehmigung des Upleder Instituts, 2017