Nichts Neues unter der Sonne!

Archiv: OT.NE.22.1 Autor: Christian Hartmann
Erstveröffentlichung: JOLANDOS-Newsletter. Editorial. Februar 2022.
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Editorial

Nichts Neues unter der Sonne

Liebe Freundinnen und Freunde der Osteopathie,

„Es gibt nicht Neues unter der Sonne.“ (Koh. 1,9)

Diese bereits vor fast 3000 Jahren im Alten Testament niedergeschriebene Weisheit trifft auch auf die Osteopathie zu. Deutlich wird das erst, wenn man den schönen Kontinent Osteopathie verlässt, zum Beispiel zum Mond fliegt und im historisch distanzierten Blick erkennt, dass Osteopathie nur einer von mehreren Kontinenten auf der Erde ist. Damit wird schnell klar, dass viele der scheinbar einmaligen Ideen der Osteopathie auch auf anderen Kontinenten, d.h. in anderen Heilkontexten und zu anderen Zeiten bereits umfassend erschlossen und durchdacht wurden.

Es gibt OsteopathInnen, die ausschließlich mit dem Alltäglichem in der Gegenwart beschäftigt sind. Sie ersparen sich die Unbequemlichkeit, über ihr eigenes Denken und Tun im größeren Kontext nachzudenken. Das ist nur allzu menschlich. Ihnen ist das Gewesene und damit auch dessen Bedeutung für ihr gegenwärtiges Sein nicht so wichtig.

Dann gibt es OsteopathInnen, die nach dem Motto „An den Taten sollst du sie erkennen!“ leben. Sie knüpfen ihren Wert, ihre Identität und ihren Status in der Gesellschaft an ihr Handeln. Je einzigartiger und besonderer es ist, um so stärker ist ihr Gefühl, ein guter Mensch zu sein. Auch verständlich, handelt es sich doch um ein durch die kirchliche Dogmatik historisch tief geprägtes Verhalten in europäischen Kulturen. Konsequenterweise verlassen sie ihren Kontinent nicht, denn sie ahnen: das für Sie Einzigartige und Besondere entpuppt sich aus höherer (historischer) Perspektive möglicherweise als Altbekanntes. Dieses Leben ist nicht einfach, verwenden sie doch viel Lebensenergie darauf, die eigenen Überzeugungen durchzusetzen und zu verteidigen, um jegliche innere Erschütterung zu vermeiden.

Und es gibt OsteopathInnen, deren Leben vom beständigen Wandel bestimmt werden. Gewohnheiten, Illusionen und Überzeugungen entstehen und vergehen, ohne dass ihr Selbstwertgefühl davon berührt wird. Diesen Menschen begegnet man häufig auf dem Mond. Sie sind jedesmal fasziniert, wenn sie auf anderen Kontinenten vermeintlich "Osteopathisches" entdecken. Gleich im Wesen, aber anders in ihrer formalen und begrifflichen Erscheinung. Diesen Menschen ist das Fremde Quelle, um das Vertraute besser zu verstehen.

Mond und Erde

Vom Mond aus erkennt man: Weder waren A.T. Still mit seinem vermeintlichen „fließenden“ Ansatz, noch W.G. Sutherland oder Rollin Becker mit den Modellen des "Breath of Life", "Stillpoint" oder "Rhythmic Balanced Interchange" die Ersten, die sich mit metaphysischen oder energetischen Phänomenen im therapeutischen Kontext beschäftigten. Bereits in der galenischen Medizin vor fast 2000 Jahren galt beispielsweise ein belebender Geist (pneuma psychikon) als maßgeblich für Gesundheit. Mit dem Einfluss der christlichen Dogmatik verschwand die Beschäftigung mit metaphysischen Themen in der Medizin während des Mittelalters, um in der Renaissance erneut aufzublühen. Als man im 18. Jh. den Elektromagnetismus und die Schwingungen entdeckte und untersuchte, entstand ein wissenschaftliches Interesse an der Verbindung zwischen der physikalischen und der metaphysikalischen Welt. Emanuel Swedenborg (1688–1772) und Anton Mesmer (1734–1815) spielten hierbei in Europa eine große Rolle. Ohne die beiden wären Magnetismus, Hypnose, Spiritismus und Geistheilen im 19. Jh., aber auch die heutige Psychologie, psychosomatische Medizin und moderne energetische Behandlungsansätze nicht denkbar, oder hätten sich völlig anders entwickelt.

Inwieweit Still von den Arbeiten Mesmers und Swedenborgs beeinflusst war, kann nicht mehr eindeutig geklärt werden. Tatsache ist, dass Still die meiste Zeit seines Lebens in Kirksville lebte, einem damaligen Epizentrum des von Swedenborgs Schriften stark inspirierten Spiritismus. (Still selbst nahm an einer Seance Teil und schrieb auch einen Artikel für eine spirtistische Zeitung. Darüber hinaus warb er in den 1870ern für sich als Magnetiseur.)

Dass W.G. Sutherland u.a. auch durch die Arbeiten Swedenborgs stark beeinflusst wurde, gilt inzwischen als gesichert. Maßgebliche Prinzipien der Kraniosakralen Osteopathie finden ihre Grundlage in Swedenborgs Abhandlungen über das Gehirn. Die nach Sutherlands Tod von Rollin Becker weiterentwickelten energetischen bzw. metaphysischen Aspekte finden ihre Wurzeln damit zumindest teilweise auch in Swedenborgs Arbeiten.

Je nachdem welcher Typ Sie sind, ist Ihnen diese Reise zum Mond mit seinem historisch reflektierten Blick auf den eigenen Kontinent entweder ohne Bedeutung, nicht möglich oder Sie empfinden Sie als Notwendigkeit. Letzteren möchte ich eine kleine Reiselektüre empfehlen:


 

Die Erforschung der Gehirnbewegungen in medizinhistorischer Sicht

Die Erforschung der Gehirnbewegungen in medizinhistorischer Sicht
2012, Thomas Nagel, Softcover, 534 S. – 39,90 €

Beginnend in der Antike bis zum Jahr 2008 bildet die vorliegende Studie die Erforschung von Gehirnbewegungen bis in die Grenzbereiche zu anderen Forschungsgebieten ab, wobei das Hauptaugenmerk auf der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ruht. Neben Einzelanalysen ausgewählter Arbeiten wird die Synthese zwischen dem globalen historischen Kontext und der fokussierten Forschungsgeschichte hergestellt.

Osteopathie und Swedenborg

Osteopathie und Swedenborg
2013, David Fuller, Hardcover, 560 S. – 79,90 €

”Wenn der Leser das Buch fertig gelesen hat, wird er alles über Swedenborgs spirituelle und physiologische Prinzipien Swedenborgs im Bilde sein. Er wird den zahlreichen Auslegern seiner Lehren begegnen, dem bunten Durcheinander des esoterischen Denkens im 19. und 20. Jahrhundert, den medizinischen Entwicklung jener Zeit und damit auch schließlich der Philosophie der Osteopathie […] Für alle Neugierigen ist das Buch eine Goldmine voller faszinierender Fakten und Verbindungen, für Lernende ein rundes und umfassendes Nachschlagewerk und für alle Mediziner, die sich für den Heilungsprozess in all seinen Dimensionen interessieren ist es einfach nur unbezahlbar wertvoll.“ (William F. Morris, D.O.)


Für OsteopathInnen erschließt sich die Bedeutung der ersten beiden Titel natürlich erst im Kontext mit der Gründungsliteratur der Osteopathie bzw. der Kranialen/Kraniosakralen bzw. Biodynamischen Osteopathie. Und hier sind natürlich folgende Titel maßgeblich:


 

Das große Sutherland-Kompendium

Das große Sutherland-Kompendium
Sutherland WG, Sutherland AS, Hartmann C (Hg.)
Die Gründungsliteratur der Kranialen/Kraniosakralen Osteopathie!
Z.Zt. vergriffen. Nachdruck erscheint vorr. 01.04.22
JETZT ZUM SONDERPREIS VORBESTELLEN!

Handegebunden, Leinen, 716 S., 97 Abb. – 139,00 € (ab erscheinen 159,00 €)
Enthält folgende vier Titel: Unterweisungen in der Wissenschaft der OsteopathieEinige ÜberlegungenDie SchädelsphäreMit klugen Fingern (AS Sutherland)

Rollin Becker
2.A., Rollin Becker, Hardcover, 640 S. – 79,00 €
Die Gründungsliteratur der Biodynamischen Osteopathie!
2020, Enthält folgende Originaltitel: Leben in Bewegung & Stille des Lebens



Historisch reflektierte Osteopathie – Seminar
 
Der Inhalt dieser vier Titel erschließt sich aber erst vollständig bei umfassenden Kenntnis von Zeit und Umfeld, in denen Sie entstanden sind, aber auch den gesamthistorischen Kontext, in den man sie einordnen kann. Und hierzu gibt es die speziell auf die Osteopathie zugeschnittene Historisch reflektierte Osteopathie in zwei Varianten:

1. Seminar
Umfassende Infos zu dem Seminar finden Sie hier. Es wird sowohl als Präsenz-Unterricht, als auch per ZOOM life angeboten. Und ab Sommer wird es auch eine Möglichkeit zum Streamen des zweitägigen Seminars geben.

2. Buch – erscheint vorr. 17.03.22 - JETZT VORBESTELLEN!
2022, 2. überarb. Aufl., Christian Hartmann, Hardcover, 342 S. – 39,00 €

Eine der Hauptgründe, warum ich seit vergangenen Sommer weniger „präsent“ war ist der Tatsache geschuldet, dass ich auf Wunsch vieler Seminarteilnehmer dieses Buch geschrieben habe. Es bildet im Wesentlichen das Seminar ab und beinhaltet als Highlight viele der im Unterricht gesammelten Reflexionen. Gerade sie sollen helfen, die fundamentale Bedeutung des Vergangenen für die unmittelbare Gegenwart besser zu begreifen. Hier gibt’s vorab eine Leseprobe!

 


Neuerscheinungen

Osteopathische Behandlung des weiblichen Beckenbereichs

Osteopathische Behandlung des weiblichen Beckenbereichs
Bazin u. Naudin, Hardcover, ca. 300 S. & 300 farb. Illustr., 71,00 €
Beschwerden im weiblichen Beckenbereich sicher und souverän osteopathisch behandeln – mit diesem Buch kein Problem. Von funktionellen Beschwerden (Harninkontinenz, Beckenschmerzen, Unfruchtbarkeit) über die hormonelle Physiologie (Pubertät, Menstruationszyklus, Schwangerschaft, Wechseljahre) bis sogar zu den Folgen nach chirurgischen Eingriffen und Infektionen wird Ihnen erklärt, wie Sie jeweils osteopathisch vorgehen können.

 

Ewig leiser Urknall

Ewig leiser Urknall
Karl-Heinz Weber, Hardcover, ca. 240 S., 32,90 €
Das zweite Buch des Autors von Die Wirkung des Missachteten. Wieder entführt Sie Karl-Heinz Weber weit über den therapeutischen Tellerrand in die Weiten seines inneren Universums. Poetisch, voller kraftvoller Bilder und Vergleiche folgt er damit der Tradition Stills alles in allem zu spiegeln.


Mehr Aktuelles

Das große Jealous-Kompendium

Für die Seelen unserer Kinder

Bone - The best kept secret

The Journeyman. Sutherland - the formative Years



Das große Jealous-Kompendium (Jealous). – 159,00 €
Für die Seelen unserer Kinder (Schwerdtner) – 19,50 €
Bone – The Best Kept Secret (Buekens), ENGLISH! – 89,90 €
Journeyman: W.G. Sutherland, Vol 1: The Formative Years, 1873–1900 (Stark), ENGLISH! – 89,90 €


Und das war's auch schon wieder...

Ich wünsche Ihnen wie immer viel Freude und Erfolg
auf Ihrer osteopathischen Reise!

Christian Hartmann
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